Nachlese 9. Rostocker Abwassertagung 2014

Infrastruktur- und Energiemanagement – ein Geschwisterpaar der Wasserwirtschaft

 

Am 12. November 2014 wurde durch die Professur für Wasserwirtschaft, der "Verein der Freunde und Förderer des Institutes für Kulturtechnik und Siedlungswasserwirtschaft" und mit Unterstützung der EURAWASSER Nord GmbH  die 9. Rostocker Abwassertagung veranstaltet.

Begrüßung

Im großen Hörsaal der Agrar- und Umweltwissenschaftlichen Fakultät, begrüßte Herr Prof. Jens Tränckner die Teilnehmer, Referenten, Gäste und Aussteller. Zur Einstimmung auf die Veranstaltung erläuterte Prof. Tränckner die äußeren und systeminternen Einflussfaktoren, welche die infrastrukturelle und energetische Entwicklung der Siedlungswasserwirtschaft antreiben.

 

Bild Prof. Tränckner
 

Neben demografischen und klimatischen Wandelprozessen führen auch politisch-rechtliche Rahmenbedingungen wie die Wasserrahmenrichtlinie und die Energiewende zu Anpassungsnotwendigkeiten und -möglichkeiten. Branchenintern bleibt die nachhaltige Bewirtschaftung der wasserwirtschaftlichen Infrastruktur eine permanente fachliche und wirtschaftliche Herausforderung. Aktuelle Bezüge wurden mit Hinweisen auf die diskutierte 4. Reinigungsstufe und einen an Demografie und Siedlungsentwicklung angepassten Substanzwerterhalt gegeben. Die Rostocker Abwassertagung dient dabei als Plattform, um ganz bewusst auf Landesebene mit den verschiedenen Akteuren (Aufgabenträger, Planung und Verwaltung) Anpassungsstrategien diskutieren zu können.  

Grußworte des Ministeriums

Frau Ute Hennings, die Leiterin der Abteilung - Wasser und Boden des Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Mecklenburg-Vorpommern beleuchtete den engen Zusammenhang von Wasser- und Energiewirtschaft und verwies noch einmal auf das Thema des diesjährigen Weltwassertages „Wasser und Energie“. Mit einer kleinen Retrospektive wurde das in den letzten Jahren Geleistete zusammengefasst und die Anstrengungen aller Akteure gewürdigt. Als kommende Herausforderungen wurden die weitere Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie, der Bevölkerungsrückgang, insbesondere in den ländlichen Bereichen, der Klimawandel und die Energiewende diskutiert. In einem Agrarland wie Mecklenburg-Vorpommern stellen sich dabei viele Fragestellungen auch etwas anders dar. Beispiele hierfür sind die Eintragspfade von Mikroschadstoffen und die in MV noch überwiegend praktizierte landwirtschaftliche Klärschlammentsorgung. Hier machen die strengeren Grenzwerte im Zuge der Düngemittelverordnung ein Umdenken notwendig. Nach wie vor sind auch weitere Anstrengungen zur Reduzierung der Nährstoffemissionen erforderlich. Frau Hennings verwies dabei auch auf dem vom Ministerium geförderten Wissenschafts-Campus Phosphor und die direkte Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl Wasserwirtschaft zur weiteren Minimierung der P-Einträge aus Punktquellen.

Verabschiedung von Prof. Eckstädt

Ein Höhepunkt der Veranstaltung war die feierliche Verabschiedung von Prof. Eckstädt, der die Professur für Hydromechanik und Siedlungswasserwirtschaft insgesamt 20 Jahre leitete und in dieser Zeit die Wasserwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern und darüber hinaus geprägt hat. Mit seiner Emeritierung am 31.03.2014 übergab er die Leitung der Arbeitsgruppe an Herrn Prof. Jens Tränckner (Professur für Wasserwirtschaft). In einem breit angelegten Vortrag gab Prof. Eckstädt einen Rückblick auf die wasserwirtschaftliche Entwicklung während seines Berufslebens und einen Ausblick auf die weiterhin und kommend zu lösenden Aufgaben. Mit seiner umfangreichen internationalen Erfahrung stellte er auch die Situation in Deutschland in einen globaleren Kontext.

 

Bild Prof. Eckstädt
 

Anschließend würdigte Prof. Miegel (Hydrologie und Meteorologie) als langjähriger Kollege in seiner Laudatio mit Witz und Charme Prof. Eckstädt als Fachmann, Lehrer und Mensch.  

Vortragsblock 1. Infra-energetische Anpassungsoptionen

Der erste Vortragsblock widmete sich der Darstellung beispielgebender Ansätze für ein integrales Infrastruktur- und Energiemanagement. Dr. Weilandt erläuterte in sehr strukturierter Form die strategisch-operativen Ansätze der Emschergenossenschaft zur Energieoptimierung. Diese lassen sich in die drei ineinander greifende Schwerpunkte gliedern:

Konkrete Beispiele führten dabei auch zu interessanten Diskussionen zur Übertragbarkeit auf die Aufgabenträger in Mecklenburg-Vorpommern. Interessant war dabei auch, dass Maßnahmen, die noch vor einigen Jahren als unwirtschaftlich galten, durch den überdurchschnittlichen Anstieg der Energiepreise an Bedeutung gewonnen. Derartige Entwicklungen machen eine langfristige wirtschaftliche Planung schwierig. Für große Anlagen wird neben der Hauptaufgabe der Abwasserreinigung auch die Einbettung der Anlage in das regionale Energienetz und Betrieb eines Hybridkraftwerks wesentliche Aufgabe einer modern ausgestatteten Kläranlage sein. Kristian Höchel vom Fachgebiet Fluidsystemdynamik und Strömungstechnik an der TU Berlin, stellte anschließend das BMBF-geförderte Verbundforschungsprojekt KURAS (Konzepte für urbane Regenwasserbewirtschaftung und Abwassersystem) vor. Forschungsschwerpunkt sind betriebliche und konstruktive Maßnahmen im Abwassersystem, die gezielt auf die zwei Lastfälle Über- und Unterlast im Abwassernetz ausgerichtet sind. Berlin ist dabei aufgrund seiner besonderen infrastrukturellen Situation – Abwasserzufluss in Freigefällesystem Richtung Stadtmitte und pumpengestützte Abwasserförderung in die peripher gelegenen Kläranlagen – zahlreiche Ansatzpunkte für ein integriertes Wasser- und Energiemanagement. Von besonderem Interesse für das Auditorium waren die sehr detaillierten Ausführungen zur anlagentechnischen und betrieblichen Optimierung von Abwasserpumpstationen.

 

Bild Auditorium
 

Der erste Themenblock wurde durch die Ausführungen über eine „strategische Netzentwicklung“ in Rostock durch Herrn Hoche von der EURAWASSER Nord GmbH abgerundet. Insbesondere durch Starkniederschläge induzierte Abflüsse stellen momentan eine Gefährdung da. Herr Hoche zeigte, wie in enger Zusammenarbeit mit allen wesentlichen Akteuren der Wasserwirtschaft und der Hansestadt, nachhaltige Lösungswege erarbeitet wurden. Ein besonderer Ansatzpunkt ist dabei die gezielte Entflechtung des Mischsystems im Innenstadtbereich und die geplante künftige Ableitung des Niederschlagswasser und ehemaliger Fließgewässer in historisch bekannten Entwässerungsachsen. Durch die positiven Erfahrungen bestärkt, entwickelte dasselbe Konsortium, in enger Kooperation mit der Uni Rostock, einen BMBF-Forschungsantrag für ein stadtübergreifendes Gewässerentwicklungskonzept („KOGGE“), welcher zwischenzeitlich zur Förderung vorgeschlagen wurde und ab Mitte 2015 bearbeitet werden soll.

Vortragsblock 2. Handlungsempfehlungen für regionale Problemstellungen

Der bereits von der Abteilungsleiterin Hennings diagnostizierte Handlungsdruck, bezüglich des demographischen Wandels in MV, wird von Herrn Gießler (WW Uni Rostock) im Rahmen seiner Promotion aufgegriffen. Der durch eine umfangreiche statistische Auswertung der betrieblichen Kennzahlen aller 111 Körperschaften in MV entwickeltem Kenntnisstand wurde verwendet, um drei Szenarien für eine Prognose abzuleiten. Dabei zeigte sich, dass aufgrund der noch weitgehend jungen Infrastruktur bis 2030 nur sehr moderate Kostensteigerungen zu erwarten sind.

Aber mit Einsetzen verstärkter Sanierungserfordernisse bei weiter sinkender Bevölkerung werden die einwohnerspezifischen Kosten bis 2050 massiv steigen. Dabei werden für zahlreiche Aufgabenträger die Kosten für Wasser und Abwasser 3% des privaten Haushalteinkommens überschreiten, ein Wert, der nach OECD als kritisch angesehen wird. Im Weiteren wird Herr Gießler die Möglichkeiten und Grenzen einer langfristigen infrastrukturellen Anpassung an verschiedenen Fallbeispielen analysieren. Frau Knubbe (Dorsch-Consult, ehemals Mitarbeiterin des Lehrstuhls Wasserwirtschaft) berichtete über ein Kooperationsprojekt zwischen der Uni Rostock und dem Pumpenhersteller WILO SE zum energieoptimalen Betrieb frequenzgeregelter Abwasserpumpen. Durch simulative Vorstudien und anschließende Umsetzung am Referenzobjekt HPW Prerow konnte eine effektive Einsparung von über 20% nachgewiesen werden. Das Thema wird durch ein Folgeprojekt fortgeführt. Zukünftige Untersuchungsfelder sind die Praxistauglichkeit der Drehzahlregelung bei Pumpen ohne Schneidrad und die gezielte Überwachung und Beeinflussung des Sedimenttransports durch den Pumpenbetrieb. Zum Abschluss des zweiten Vortragsblocks analysierte Herr Friedrich vom gleichnamigen Ingenieurbüro Schwerin die Energiebilanz einer Kläranlage und betonte dabei die herausragende energetische Bedeutung des Primärschlamms für die Eigenenergieerzeugung. Anhand verschiedener verfahrenstechnischer Stellgrößen und Maßnahmen erläuterte Herr Friedrich didaktisch gut aufbereitet und quantitativ untersetzt, wie die Energieproduktion des BHKW gesteigert werden kann. Die Palette reicht dabei von einer Verbesserung der Voreindickung bis zur Umstellung auf zweistufige biologische Abwasserbehandlung. Grundvoraussetzung für eine gezielte energetische Optimierung ist eine transparente Bereitstellung anlagenspezifischer Kennwerte.

Vortragsblock 3. Fallbeispiele für Infrastruktur- und Energiemanagement

Die ZKA Malchin-Stavenhagen ist ein konkretes Beispiel für eine energieoptimierte Umsetzung. Der Leiter der Kläranlage Herr Oriwol erläuterte dem Auditorium anhand seiner Anlage die Wirren der EEG-Reform. Der Großteil des Abwassers stammt von einem großen kartoffelverarbeitenden Lebensmittelhersteller. Dieses Abwasser wird in einem UASB-Reaktor anaerob vorbehandelt. Der Verkauf des anfallenden Biogases ist aufgrund des EEG-Bonus finanziell attraktiv. Da die ZKA durch das ohnehin dicke Abwasser eine positive Energiebilanz aufweist, wird der deutlich besser vergütetete Strom des Biogases in das Netz eingespeist. Das weniger attraktive Klärgas der Faultürme wird hingegen für den Eigenbedarf genutzt. Zusätzlich nimmt die Anlage z.T. auch weitere Co-Substrate an, deren Anteil als Klärgas theoretisch wiederum als Biogas verkauft werden könnte. Die nachzuweisenden Bilanzrechnungen und sonstige administrative Aufwendungen wurden anschließend durch weitere Erfahrungsträger im Publikum diskutiert. Den letzten Fachbeitrag der Tagung hielt Herr Bomball vom Zweckverband Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung Grevesmühlen. Bereits im Jahr 2002 konnte der Zweckverband durch eine zentrale Schlammfaulung auf der KA Grevesmühlen die Schlammmenge erheblich reduzieren. Ein positiver Nebeneffekt war die hohe Energieerzeugung durch das produzierte Klärgas. Es konnte ein Eigenversorgungsgrad von über 100% erreicht werden. Wie bereits der Vorredner erwähnt, wird Klärgas nach EEG für weniger als 8 Cent pro kWh vergütet. Eine Einspeisung ist daher für Betreiber unattraktiv. Dem Betreiber gelang es, alternativ den erzeugten Strom durch ein sogenanntes „erweitertes Arealnetz“ auch für die Versorgung anderer wasserwirtschaftlicher Anlagen zu nutzen. Die erforderlichen Abstimmungen mit der zuständigen Zollbehörde wurden diskutiert und dabei auch die politisch bedingte schlechte Planbarkeit der rechtlichen Rahmenbedingungen kritisiert. Unabhängig davon ist es das Ziel des Zweckverbands, sämtliche betrieblichen Anlagen in Zukunft autark mit Strom und Fernwärme zu versorgen.

Zum Abschluss der langen und intensiv diskutierten Veranstaltung dankte Prof. Tränckner noch einmal herzlich allen Referenten und dem Publikum, verbunden mit der Ankündigung der nächsten Abwassertagung in zwei Jahren.  

 

Autor:

M.Sc. Boris Richter

Universität Rostock | Agrar- und Umweltwissenschaftliche Fakultät

Professur für Wasserwirtschaft